Der Lebensmittelhandel und die Corona-Krise

Berchtesgadener Land: Der Handel, speziell der Lebensmittelhandel rückte als Säule unserer Gesellschaft noch nie so stark in den Focus wie heute. Ängste um die Zukunft führen in fast allen Märkten zeitweise zu leeren Regalen, vor allem bei Hygieneartikel, Nudeln und Mehl. Wir Verbraucher wollen uns absichern, wollen Sicherheit, sollte uns das Los einer mehrwöchigen Quarantäne bei Ansteckung treffen. Die Redaktion hat sich bei den Märkten umgehört. Welche Erfahrungen hat man gemacht, wie wird die aktuelle Lage zu Covid-19 beurteilt?

Für Dieter Schönwälder vom Rewe-Supermarkt in Berchtesgaden-Schönau habe sich die Situation bereits wieder entspannt. Verantwortlich für die leeren Regale und die Engpässe beim Nachschub und Auffüllen der Regale sieht er die Politik und die Medien mit Hiobsmeldungen zum Coronavirus Covid-19. „Wenn die schlechten Nachrichten nicht abreißen, sich die Maßnahmen immer weiter verschärfen und sich in den Medien und sozialen Netzwerken Fotos von leeren Regalen häufen, kann man den Verbrauchern keinen Vorwurf machen.“

Der ganz große Run, wie noch vor wenigen Tagen, ist vorbei. Es gibt nur noch wenige „Hamsterkäufe“ in der Coronakrise.

Michael Dorrer, Betreiber mehrerer Edeka-Märkte im Berchtesgadener Land, zeigt ebenfalls Verständnis für Hamsterkäufe. „Die sich dramatisch zuspitzende Situation in Italien machte die Bürger sensibel.“ Verstehen kann er den Griff nach Mehl, Milch, Eier und Dosen. Nicht aber, dass Nudeln in Großmengen gekauft werden oder den übermäßigen Run auf Toilettenpapier. „Die Lager aber sind voll und auch die Lieferketten funktionieren“, beruhigt er. Schwierig sei der Nachschub bei Desinfektionsmittel.

„Regale werden wieder aufgefüllt“

Für Helmut Hölzlwimmer vom Edeka-Markt in Berchtesgaden ist der zeitweise Run auf die Märkte nicht nachvollziehbar. „Der Druck ist immer noch hoch, es wird in großen Mengen eingekauft. Die Leute können aber beruhigt sein, der Lebensmittelhandel bleibt offen und die Regale werden immer wieder aufgefüllt, auch wenn die Coronakrise um den Virus Covid-19 noch anhält.“

Wenige Autos auf dem Aldiparkplatz in Bad Reichenhall. Weger der Grenzschließung nach Österreich bleiben viele Kunden aus.

Bei Aldi habe man gestern endlich reagiert, erzählen viele Kunden. Die übliche Vorgabe, nämlich der Verkauf in „haushaltsüblichen Mengen“ werde jetzt umgesetzt. Großen Hamsterkäufen wird so ein Riegel vorgeschoben. Zudem ist die Nachfrage aus Österreich wegen der erfolgten Grenzschließung spürbar zurück gegangen. Davon betroffen seien aber hauptsächlich die Märkte im mittleren Landkreis, in Berchtesgaden sei der Anteil an Kunden aus Österreich eher gering, sind sich die Marktbetreiber einig.

„In der Krise zusammenstehen“

Michael Dorrer und Dieter Schönwälder sind sich einig, dass der Lebensmittelhandel von dieser Krise nicht nur wirtschaftlich profitiert. „Wer hätte vor wenigen Wochen gedacht, dass sich die Einkaufsmärkte zum „Retter der Nation“ entwickeln. Viele Betriebe müssen schließen, viele auf Kurzarbeit umstellen, der Lebensmittelhandel bleibt stabil“, argumentiert Dorrer. Dieter Schönwälder hat an seine Mitarbeiter sogar einen mehrseitigen Rundbrief versandt und ist auf die aktuelle Situation eingegangen.

Er schließt mit den Worten: „Die Welt wird nach der Corona-Krise um den Virus Covid-19 auf jeden Fall eine andere sein. Wir sind jetzt alle gemeinsam gefordert und müssen das Optimalste und Beste aus der Situation machen, müssen dafür sorgen, dass wir gemeinsam unserer Pflicht nachkommen. Wir dürfen uns alle glücklich schätzen in dieser Branche zu arbeiten. Gegessen und getrunken wird immer. Wir verkaufen Lebensmittel, also Mittel zum Leben, das sollten und dürfen wir nie vergessen.“ Er sieht einen deutlichen Imagegewinn der Branche, was sich angesichts eines Mangels an Fachpersonal positiv auswirken werde.

Auch in Bayerisch Gmain hat sich die Lage im Lebensmittelhandel beruhigt. Die Menschen gehen gefasst mit der Coronakrise um.

Bei den Öffnungszeiten wird sich nichts ändern, auch wenn die Genehmigung für den Lebensmittelhandel bis auf 22.00 Uhr und auf Sonntag ausgedehnt wurde. „Wenn das Land wirklich in Not ist, die Menschen Hunger leiden müssen, wir nichts mehr zum Essen haben, dann werden auch wir notfalls 24 Stunden täglich offen lassen. So aber sehe ich keine Notwendigkeit dafür,“ ereifert sich Schönwälder. Viele Verbraucher würden sich auch noch an Zeiten erinnern, als die Geschäfte täglich um 18 Uhr schlossen und am Samstag um 12 Uhr Schluss war. Auch damals ist die Welt nicht untergegangen.

Kein Schutz an den Kassen

Die Leidtragenden an der aktuellen Entwicklung im Lebensmittelhandel sind die „Kassenkräfte“ die ungeschützt über viele Stunden hinweg täglich einem hohen Risiko von Ansteckung mit Covid-19 ausgesetzt sind. Keiner der Marktbetreiber hat dagegen ein Rezept. „Selbst ein Mundschutz würde nur sehr kurzfristig helfen,“ räumt Schönwälder ein. Es würden zwar die Laufbänder, Türgriffe und teilweise auch die Griffe der Einkaufswagen desinfiziert, doch den Mitarbeitern an der Kasse wird das wenig nützen. „Wir bitten die Kunden um Rücksichtnahme und genügend Abstand“, beteuern unisono Michael Dorrer und Helmut Hölzlwimmer , „doch an der Kasse werden mehr als ein Meter zum Problem. Wir appellieren sich häufiger die Hände zu waschen, sich eine Brille aufzusetzen und einen Hand-Mund-Kontakt zu vermeiden.“

Der Coronavirus ändert alles

Die Kunden würden mittlerweile gut mit der Situation umgehen, Desinfektionsspender werden gerne genutzt. Unverständnis hingegen habe man gegenüber Witzen über die Pandemie, wenn in Wortspielen und in Sozialen Medien mit dem Begriff „Corona“ die Situation ins Lächerliche gezogen werde. In dieser ernsten Lage dürfe man sich auch nicht „verrückt machen lassen“, sollte besonnen sein, die Ruhe bewahren. „Nicht jedes Hals- oder Kopfweh ist gleichbedeutend mit einer COVID-19-Infektion, auch nicht ein leichter Schnupfen“, zieht Dieter Schönwälder klar Position und fügt noch hinzu: „Die Überreaktion vieler Verbraucher ist Schade. Sie bedenken nicht, dass sie mit übermäßigen Hamsterkäufen anderen Menschen den Zugang zu den Waren nehmen.“

Kurz vor Redaktionsschluss erreicht uns noch eine Meldung von Obst und Gemüse Ziegler aus Bad Reichenhall. Als kleiner Zulieferbetrieb für die Gastronomie im Landkreis hat er aktuell Absatzprobleme. „Die meisten Gaststätten schließen schon früh oder gänzlich. Da bleiben wir auf unserer Ware sitzen“, bedauert er.

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