Hilfen mit reduzierten Angeboten und Hygienekonzepten ermöglichen
„Tagespflegen zögern einen dauerhaften Heimaufenthalt hinaus“ sagt Martina Motz, seit zehn Jahren stellvertretende Pflegeleiterin der Caritas-Tagespflege in Bad Reichenhall. Die Tagespflegen sind von den drastischen Einschnitten der verordneten Corona-Maßnahmen genauso betroffen wie Senioreneinrichtungen, sie arbeiten im Notbetrieb. Beim ersten Lockdown im Frühjahr mussten sie fast drei Monate lang ganz schließen, seitdem herrscht Notbetrieb mit reduzierten Angebot und reduzierter Betreuung.

„Die zunehmende Vereinsamung und die Defizite nach der monatelangen Betreuungspause waren spürbar,“ bekennt Rainer Hoffmann, Kreisgeschäftsführer der Caritas. Selbst jetzt, im Notbetrieb, dürfen in Bad Reichenhall nur sechs Personen gleichzeitig betreut werden, sonst sind es 19. Sitzen am großen runden Tisch, gemeinsames Singen und Frühstücken gibt es nicht mehr. „Zudem halten die Masken auf Abstand und Berührungen wie ein kurzes Umarmen sind erschwert“, erzählt Martina Motz.
Auch in Freilassing
stellt man sich den Herausforderungen
Einschränkungen, die auch die Tagespflege des Roten Kreuzes in Freilassing betreffen. Doch hier habe man gute Erfahrungen gemacht, viel kompensieren können. „Ja, die fortschreitende Vereinsamung nach dem ersten Lockdown war spürbar,“ bestätigt Petra Jeuter, Leiterin der Tagespflege. „Doch gewöhnten sich auch unsere Senioren, von denen einige unter einer leichten Demenz leiden, an die Masken. Sie kompensieren es durch die vertraute Umgebung und die Stimme,“ meint Petra Jeuter.
In der Tagespflege Bad Reichenhall etwa kamen vor Corona auch Pyhsio- und Ergotherapeuten in die Einrichtung, selbst um die Fußpflege kümmerten sich Fachkräfte. Wir haben dafür eigene Räumlichkeiten, sogar ein behindertengerechtes Bad mit großer Wanne. Das aber pausiert aktuell durch die Notverordnung, wir sind im Notbetrieb. Beim Roten Kreuz hingegen setzt man auf die Fahrdienste. „Wir fahren immer nur mit zwei oder drei Leuten im großen Bus zur Tagespflege, der Kapazitäten von acht Personen hat“, erzählt Rot-Kreuz Pressesprecher Markus Leitner. „Das lässt genügend Abstand und wir haben unser Hygienekonzept bereits im März zum Schutz unserer Mitarbeiter, Gäste und Bewohner entwickelt.“

Der Schutz gelingt auch in der Seniorenwelt der Insula, wo bislang keiner der rund 200 Bewohner an Corona erkrankt oder infiziert wurde. „Das ist für die Zukunft zwar nicht garantiert, doch spricht es für unser Hygiene-Konzept und die AHA-Reglen“, erklärt Rocco Eidam, Geschäftsbereichsleiter für Senioren und Pflege. Man habe die Einrichtung auch nie ganz für Besuche geschlossen. Heute, im zweiten Lockdown, sind halbstündige Besuche fast immer möglich, allerdings nach Voranmeldung. „Ich hinterfrage darum die Diskussion über eine zunehmende Vereinsamung. Wir pflegen die soziale Kommunikation über die Dienste und Betreuer und haben unsere Senioren nie ‚weggesperrt‘.“ Das Angebot der Tagespflege in der Insula ist aktuell von 20 auf zwölf Plätze reduziert und die Nachfrage weiterhin hoch.
Aktivitäten sind gestrichen
Was in Bad Reichenhall wie auch in Freilasing fehlt, sind viele Aktivitäten. Vom gemeinschaftlichen Sommer- und Herbstfest, bis hin zu Adventsnachmittage und Weihnachten oder kleinere Ausflüge. Spurlos aber geht die Advents- und Weihnachtszeit nicht vorbei. In der Freilassinger Tagespflege etwa stellte man gemeinschaftlich kleine Päckchen für die Aktion ‚Schuhkarton‘ zusammen. In Bad Reichenhall wird für einen Hilfsdienst die Aktion ‚Die Glücksbringer‘ unterstützt. Fest zum Programm zählen etwa die tägliche Gymnastik oder das Lesen einer Zeitung zur Stärkung der kognitiven Fähigkeiten, ebenso das Gespräch und der Austausch darüber.
In Freilassing beim Roten Kreuz können von 28 Plätzen aktuell zwölf belegt werden. „Das ist keine enge Vorgabe, sondern wir haben es als Verantwortliche selbst so entschieden, um die Abstände und Hygieneregeln einhalten zu können“, erzählt Petra Jeuter. Die Caritas hat eine Notbetreuung organisiert, mit der sie Senioren zuhause im eigenen Umfeld besuchen. „Bei manchen reicht es mal für eine halbe Stunde vorbeizuschauen, andere brauchen zweimal täglich Unterstützung, je nach persönlicher und familiärer Situation.“
„Die Unsicherheit bleibt“
So komplex wie unsere Gesellschaft, ist auch der Hintergrund der Gäste in der Tagespflege. Unter ihnen finden sich allein lebende Senioren ebenso wie solche die in einer Beziehung leben. „Ist einer der Partner zunehmend dement, so kann der andere nur schwer das Haus verlassen, denn es bleibt die Unsicherheit, dass immer ‚etwas passieren kann‘. Ob eine nicht ausgeschaltete Herdplatte, eine überlaufende Wanne oder der oder die Partnerin bricht spontan zu einer Wanderung auf und verliert nach einer Weile die Orientierung. Die Unsicherheit bleibt,“ erzählt Petra Jeuter. „Manchmal leben unsere Gäste auch in einem größeren Familienverbund. Da ist unsere Tagespflege dann auch mal eine Entlastung, ob für eine begrenzte Zeit, oder etwa nur für einen Wochentag“, ergänzt Martine Motz von der Caritas. Bei ihr und auch in den anderen Tagespflege-Einrichtungen im Landkreis sind die Wartelisten lang, und in Coronazeiten noch länger geworden. Das liegt nicht allein an den reduzierten Belegung, sondern immer öfters auch an sich zuspitzenden familiären Situationen, weiß Rainer Hoffmann aus vielen Gesprächen mit den Leitern der verschiedenen Bereiche des Caritasverbandes.