Ein kleines Gartenparadies am Rande der Stadt

  • Die ersten Kleingärten gab es bereits 1919
  • Soziale, ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Funktion

Seit über 100 Jahren stehen die ersten kleinen Gartenhäuschen in der Alpenstadt Bad Reichenhall, in der Kleingartenanlage gegenüber den Kasernen. Der Kleingartenverein Bad Reichenhall e.V. zählt heute 180 Mitglieder, und die Anlage mit den kleinen Wegen zwischen den Gärten wird bei Spaziergängen und Radtouren gerne besucht. Die kleinen beschaulichen Parzellen mit Größen von 200 bis 500 Quadratmetern sind liebevoll gepflegt und die vielen Blumen, Beete und Sträucher ein kultiviertes Naturparadies.

Sommerliche Blumenpracht

„Typisch deutsch“ meinen viele und vor allem die erste deutsche Kleingartenverordnung aus dem Jahr 1919 atmet den Geist deutscher Gründlichkeit. Bis ins Detail sind Nutzung, Größe und Anbau geregelt, was erlaubt und was nicht im deutschen Kleingarten. 1983 wurde dann das Bundeskleingartengesetz erlassen und 1990 und 1994 revidiert. Es soll garantieren, dass Kleingärten ihrer sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Funktion in Städten und Gemeinden heute und in Zukunft gerecht werden können.

Gartenvorstand Thomas Rager – Fotos: Gerd Spranger

„Heute, und auch die Jahre zuvor, ist die Nachfrage von Menschen mit Migrationshintergrund nach einem begehrten Stückchen Land mit Gartenhäuschen zu einem leistbaren Pachtpreis groß“, erzählt Vereinsvorstand Thomas Rager. „Über 70 Prozent beträgt ihr Anteil und die Nachfrage ist, angeheizt durch die Corona-Lockdowns, enorm gestiegen. Wir haben 100 Haushalte auf der Warteliste stehen.“ Dabei werden jährlich höchstens zehn Parzellen vergeben, denn der Pachtvertrag ist unbefristet. „Einige hören aus Altersgründen auf, andere ziehen in andere Regionen und dann erlischt der Pachtvertrag“, so Thomas Rager. Pachtpreisdeckelung und Kündigungsschutz waren bereits 1919 wichtige Inhalte der Kleingarten- und Pachtlandordnung.

Viel Liebe zu Hege und Pflege der Kleingärten

So mancher junge Kleingärtner sieht sich dann aber schnell mit der Realität konfrontiert. Hinter der Gartenidylle verbirgt sich nämlich viel Arbeit und das kontinuierlich, mehrere Tage die Woche und über Jahre hinweg. „Von allein wächst nur das Unkraut und auch um die Schnecken muss man sich nicht zu sorgen“, bemerkt Vorstand Rager augenzwinkernd. Meistens gilt es, die kleine Gartenhütte, Wege und Beete wieder instand zu setzen. Über eine Wasserentnahmestelle verfügt übrigens jede Parzelle, Strom aber und selbst Solar gibt es nicht. Auch laute, mit Benzin betriebene Rasenmäher, Heckenscheren und anderes Gartengerät sind verboten. „In einer solchen Anlage, wo man Zaun an Zaun mit den Nachbarn lebt, ist ohne gegenseitige Rücksichtnahme das Miteinander nicht möglich. Wenn sich zwei „Streithansel“ gar nicht einig werden, wird beiden als letztes Mittel der Garten entzogen.“

Idyllische Lage zwischen den Reichenhaller Bergen Predigtstuhl, Zwiesel (Foto) und Hochstaufen in den Nonner Auen von Bad Reichenhall

Miteinander ist ebenfalls bei der Gemeinschaftsarbeit im Frühjahr und Herbst geboten. Jeder Gartler ist dazu angehalten, zwei Tage Zeit und Arbeitskraft in den Erhalt von Wege, Zäune und Infrastruktur zu investieren. „Im Verein halten wir zusammen, das Miteinander funktioniert, freut sich Thomas Rager, seit Sommer 2020 neuer Vereinsvorstand und seit acht Jahren Pächter einer Gartenparzelle. Für die Wartung und Pflege steht ein lang gestrecktes Werkstattgebäude mit einem kleinen Maschinen- und Fuhrpark zur Verfügung. Natürlich gibt es dafür auch zwei Gerätewarte, nämlich Mohamed und Uwe, die sich um die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit der Anlagen sorgen.

Jeder Garten hat seine „kleinen Geheimnisse“.

Die Nutzung der Gärten hat sich über die Jahrzehnte hinweg gewandelt. Standen in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren die Versorgung mit Lebensmitteln im absoluten Mittelpunkt, so ist es heute vermehrt die Freizeitnutzung. „Da müssen wir gelegentlich Aufklärungsarbeit leisten. Ein Kleingarten ist kein reines Freizeitgrundstück, er muss auch gärtnerisch genutzt werden. Das ist in der Gartenverordnung festgeschrieben und es ist auch richtig so, denn nur so werden die Kleingärten ihren Charakter bewahren können“, ist sich Thomas Rager sicher.

Ein Mittelpunkt im Zusammenleben der Kleingärtner ist die Gaststätte in den Heimgärten, „Beim Bergei“, die von einem Pächter öffentlich betrieben wird. „Aktuell aber ist es nicht möglich, sich als Verein, Vorstand oder Stammtisch zu treffen. Das ist ein gesellschaftlich harter Schnitt, der nicht nur uns, sondern alle Vereine trifft, und davon soll es in Deutschland über eine halbe Million geben. Zu unseren jährlich wiederkehrenden Aktivitäten zählen auch die Beleuchtung der Heimgärten, unsere Maiandacht und Erntedank.

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Gerd Spranger

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