Gleich zwei prominente Gäste konnte der Kreisvorsitzende der Dehoga-Bayern zur Jahresversammlung im Wellness- und Natur-Ressort Gut Edermann in Teisendorf begrüßen. Die Präsidentin des Dehoga-Bayern und Geschäftsführerin von Brauerei und Gaststätte Aiying, Angela Inselkammer, und als Überraschungsgast Michaela Kaniber, Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Sie wollte ein Jahr nach dem abrupten Lockdown im Berchtesgadener Land ihre Solidarität mit der Branche zeigen.

Zusätzlich motiviert sei sie, weil ihre Eltern über Jahrzehnte hinweg einen Gastronomiebetrieb führten und ihre Schwester bis heute ein Hotel in Bad Reichenhall. „Wir haben uns in Zeiten des Lockdowns wöchentlich getroffen und ich habe mir viel anhören müssen, was wir in der Politik der Branche zumuten.“ Mut mache ihr aber, dass man jetzt nicht „in einem Tal der Tränen“ verharre, sondern als Unternehmer wieder anpacke und nach vorne sehe. „Ja“, räumt sie ein, „ es ist in Deutschland schwer die Dinge unkompliziert zu handhaben. Wir verkomplizieren Sachverhalte gerne und bewegen uns dann wenig.“
Mehr Eigenverantwortung gefordert
Das bekräftige auch Angela Inselkammer. „Wenn wir einen Rest von 20 Prozent Eigenverantwortung bei den Menschen belassen würden, bräuchten wir die Prozesse nicht zu 150 Prozent regeln und kämen mit nur 50 Prozent an Verordnungen und Bestimmungen aus.“ Sie machte es an einem Beispiel fest. „Verletzt sich jemand an einer offen stehenden Tür, müsste man nicht gleich nach Hersteller und beauftragten Handwerksunternehmen fragen, sondern für sich selbst einfach die Lehre ziehen besser aufzupassen.“
46 Millionen Euro an 2100 Betriebe
Ein Thema was beiden Frauen, unsere Gesellschaft und vor allem auch die Gastronomie und Hotellerie beschäftigt, sind weiter die Corona-Verordnungen. „Die finanziellen Hilfen sind geflossen, in Bayern bislang über sieben Milliarden Euro. Im Berchtesgadener Land wurden fast 46 Millionen an 2100 Betriebe aus der Hotellerie und Gastronomie ausbezahlt, 58,5 Prozent der Hilfen. Es war eine Gemeinschaftsleitung, um die Branche vor Betriebsschließungen zu bewahren,“ bekräftigt Kaniber.
„Wir brauchen Planungssicherheit“
„Es ist aber an der Zeit, für uns alle, und vor allem für die Hotellerie- und Gastronomie, wieder Planungssicherheit zu schaffen. Immerhin“, so Angela Inselkammer, „sieht sich immer noch ein Viertel der Branche in seiner Existenz gefährdet und ein Fünftel denkt über eine Betriebsaufgabe nach. Es war eine brutale Zeit für uns und so etwas haben wir selbst über zwei Weltkriege hinweg in unserer 200 Jahre alten Firmengeschichte noch nie erlebt. Dennoch“, so Inselkammer, „müssen wir nach vorne sehen und raus aus der epidemischen Lage. Wenn 80 Prozent der Menschen geimpft oder genesen sind, haben wir das Ziel erreicht.“ Dem stimmte auch Ministerin Michaela Kaniber zu, wollte nicht von einem Impfzwang sprechen, gab aber zu bedenken, „dass ein hoher Inzidenzwert – und im Berchtesgadener Land haben wir deutschlandweit den dritthöchsten – nicht für eine Urlaubs- und Tourismusregion werben.“
Sonderopfer der Branche

Angela Inselkammer bekräftigte noch einmal das gebrachte Sonderopfer der Branche. „Mit guten Hygienekonzepten hat die Hotellerie und Gastronomie niemals die Gesundheit von Menschen gefährdet. Die plötzlichen Schließungen hatten einen anderen Grund. Die Menschen sollten nach getaner Arbeit nach Hause gehen um sich nicht mehr privat zu treffen und damit die Kontakte zu reduzieren. Der Politik war das bewusst“, unterstellt sie, „ und hat darum sehr großzügig Hilfen von 75 Prozent des letztjährigen Nettoumsatzes gewährt. Es war angemessen, aber auch überaus großzügig. Das wird in dieser Höhe nicht mehr vorkommen“, prophezeit sie. „Nach anfänglichen Schwierigkeit hat die IHK in Bayern ganz Großartiges geleistet und die Hilfen sind schnell geflossen. Wenn es bei einzelnen Betrieben ’noch hängt‘, liegt es häufig an falschen Angaben der Steuerberater. Jeder gastronomische Betrieb darf sich aber an uns wenden, wir helfen weiter“, verspricht sie.
Bessere Vernetzung mit Erzeugern
Die engagierte Vorsitzende und Unternehmerin nutzte die Gunst der Stunde und fragte bei Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber gleich nach, ob eine bessere Vernetzung zwischen Direktvermarktern und der Hotellerie und Gastronomie möglich sei. Sie antwortete umgehend: „Es gibt mit der Öko-Modellregion bereits erste Ansätze in diese Richtung, regionale Anbieter arbeiten mit dem Handel gut zusammen. Das Problem sind die Zwischenschritte, etwa bei der Schlachtung und Veredelung von Fleisch, obwohl in Bayern noch 1800 Metzgereien tätig sind. Generell ist die Nachfrage nach Bio und Regionalität sehr hoch. Wir geben täglich 1,8 Millionen Mittagsessen aus, rechnet man Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser zusammen. Es macht sicher Sinn, die Gastronomie mit einzubinden.“ Als ein positives Beispiel nannte sie die Initiative von Hotelier Johannes Lichtmannegger aus der Ramsau. „Hier hat man es verstanden, mit Almbauern und Fischerei einen Zusammenschluss zu finden. Jüngst wurde sogar noch um eine eigenen Käserei ergänzt.“
Reduzierte Steuer muss bleiben
Auf der Tagesordnung der BHG-Kreisversammlung standen noch weitere wichtige Themen auf der Tagesordnung. Bis 2023 profitiert die Branche auf Lebensmittel etwa noch von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent und hofft auf eine Beibehaltung dieser „unkomplizierten und für alle förderlichen Regelung.“ Auch erlebt der Dehoga-Branchenverband durch die Corona-Pandemie nicht einen befürchteten Schwund an Mitgliedern, sondern verzeichnet ein leichtes Plus, so dass man heute 12.000 Mitgliedsbetriebe zählt. Auf sie entfalle fast 80 Prozent des Branchenumsatzes. Ein großes Thema nahm die Weiterbildung, Berufsausbildung, die Gewinnung von Fachkräften bis hin zur Unternehmenskultur ein.
„Die Krise ist für die Hotellerie und Gastronomie noch nicht vorbei“
Die Gastronomie und Hotellerie hat die Corona-Lockdowns überstanden, doch in wie weit, ist abschließend noch nicht zu sagen. Die Hilfen des Freistaates Bayern (wir berichteten) hat zwar auch im Berchtesgadener Land gegriffen, „doch die Nachwirkungen sind trotz eines sehr guten Sommergeschäftes noch deutlich spürbar“, äußert sich der Kreisgeschäftsführer des Dehoha-Bayern, Johannes Hofmann. „Persönlich kenne ich einige Gastronomen, die während der Pandemie ihre private Altersvorsoge aufgegeben haben. Es fehlt am Personal, an gut ausgebildeten Fachkräften und am Berufsnachwuchs. Dreijährige Ausbildungen sind nicht mehr zeitgemäß, die jungen Menschen müssen und wollen schneller in den Beruf. Gerade bei ihnen gibt es einen hohen Anteil, der mit ’schnellen Jobs‘ gleich gut verdient, sich aber zehn Jahre später wundert, über keine gute Ausbildung zu verfügen.“

Diese direkte Ansage rief sofort Sabine Ofner, stellvertretende Leiterin der Staatlichen Berufsschule mit Berufsfachschule aus Freilassing auf den Plan. „Das ist so nicht richtig. Wir haben ein einjähriges Berufsgrundschuljahr, in der die jungen Menschen eine gute Wissensbasis vermittelt bekommen. Es gibt auch eine zweijährige und dreijährige Ausbildung. Es muss in ihrem Interesse sein, gut ausgebildete Kräfte und damit die späteren Führungskräfte in den Betrieben zu haben. Nutzen Sie mehr die einjährige Ausbildung. Sie qualifiziert und hat niedere Hürden“, schloss sie ihr Plädoyer.
Tourismus und Gastronomie galten als krisensicher
Tatsächlich aber hat sich die Perspektive verschoben. „Eigentlich galt eine Karriere im Tourismus oder in der Hotellerie und Gastronomie als Krisensicher. Dieses Urvertrauen ist nachhaltig gestört worden“, bedauert die Präsidentin des Dehoga-Bayern, Angela Inselkammer. Dr. Anja Friedrich-Hussong vom Wirtschafsservice des Berchtesgadener Landes empfahl eine bessere Vernetzung. „Wir haben für Ausbildungsberufe eine eigene Broschüre aufgelegt und dabei natürlich auch die gastgewerblichen Berufe aufgenommen. Wir gehen damit in die Schulen und auch auf Messen.“
Bald eine 4-Tage-Woche?
Alle waren sich darüber einig, dass man bei den gastgewerblichen Berufen die jungen Menschen wieder mehr mitnehmen muss. Sie setzen heute andere Prioritäten, wollen Zeit für die Familie und die Kinder haben. Eine 5-Tage-Woche sollte Normalität sein. Susanne Droux vom Dehoga-Bayern ging sogar noch einen Schritt weiter. „Junge Menschen stellen Spaß und Selbstverwirklichung in den Vordergrund und sind bereit, dafür die berufliche Karriere zurück zu stellen. Wir müssen über Arbeitszeit-Modelle wie etwa viermal zehn Stunden reden, wir müssen flexibel sein.“
Auch „Chefs“ müssen entspannt sein
„Der Kreislauf einer überhitzten Arbeitsatmosphäre beginnt schon bei den Chefs“, weiß Johannes Hofmann aus 32jähriger gastronomischer Selbständigkeit. „Dabei darf man auch die Ausflugsgastronomie, die hier im Berchtesgadener Land stark vertreten ist, nicht aus den Augen verlieren. Sie müssen in fünf Sommermonaten ihr Geschäft machen und da ist an einen Ruhetag einfach nicht zu denken. Und dennoch“, ergänzt er, „ sollten sie mehr Gelassenheit lernen und nicht vergessen, dass unsere Berufe auch viel Spaß und Freude vermitteln. Das ist ja unser Kerngeschäft, dem Gast das besondere Erlebnis zu bieten. Wir müssen es auch selbst leben.“
Gute Mitarbeiten im Focus behalten
Susanne Droux ist beim Dehoga Bayern Geschäftsführerin für den Bereich Berufsbildung und Branchenförderung. Sie vertiefte das Thema in einem Referat weiter und markierte dabei vier zentrale Punkte: „Die Branche ist gefordert pünktlich ein faires Gehalt zu bezahlen, bei den Arbeitszeiten den Mitarbeitern mehr entgegen zukommen und letztlich selbst eine Unternehmenskultur zu fördern, um den Beschäftigten auch eine emotionale Heimat zu bieten, wo sie gerne arbeiten. Der Gastronom darf als Unternehmer nicht nur den Gast im Focus haben, ebenso wichtig für ihn sind als Dienstleister gute und motivierte Mitarbeiter“, fordert sie.
Fachkräfte aus Drittländern
Susanne Droux informierte weiter über die Gewinnung von Fachkräften aus Drittländern wie Marokko, Tunesien oder Vietnam. Der Dehoga hat dafür eine eigene Fachstelle in Nürnberg geschaffen. „Wir bündeln hier die Leistungen, so dass es eine zentrale Stelle und damit einen Ansprechpartner gibt, um allen Formalitäten und Hürden des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes gerecht zu werden. Wir stocken dafür von aktuell zehn auf 35 Mitarbeiter auf.“ Voraussetzung ist allerdings eine berufliche Qualifikation des Einwanderungswilligen. „Dabei gibt es die Hürde, dass im Ausland das duale Ausbildungssystem, wie wir es in Deutschland kennen, nicht Standard ist. Der oder die Betreffende haben aber dann die Möglichkeit, sich in den vier Jahren ihres Aufenthaltes weiterzubilden, etwa mit Kursen wie wir sie vom Dehoga aus anbieten.“ Weitere Voraussetzungen sind die Bezahlung nach Tarif, eine Wohnung und letztlich die Zufriedenheit des Beschäftigten, denn er kann das Arbeitsverhältnis auch wieder beenden oder sich einen anderen Arbeitgeber suchen. Alle interessierten Arbeitgeber sollten sich aber bereits jetzt melden, um etwa im Frühjahr oder Sommer eine Fachkraft zu verpflichten. Das Kontingent ist sonst ausgereizt.
Direkte Ansprache vor Ort
Johannes Hofmann empfiehlt für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte einen anderen, für ihn erfolgversprechenderen Weg. „In Bayern arbeiten viele Menschen und Gastronomen mit Migrationshintergrund. Junge Menschen leben bereits hier und ihre Familien sind häufig integriert. Sie kennen sich untereinander, sind vernetzt und kennen die Sprache ihrer Heimatländer. Wir müssen aktiv auf sie zugehen, ihnen Perspektiven einer Aus- und Weiterbildung aufzeigen. Das ist ein erfolgreicher und schneller Weg.“ Bei der Praxis, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, sieht er ein großes Handicap. „Wendet man sich auf der Suche nach ausländischen Fachkräften an die Botschaften, muss man häufig bis zum ersten Januar warten, um neue Kontingente zu nutzen. Bereits am zweiten Januar aber sind die Botschaften online nicht mehr zu erreichen, denn das System ist dann schon völlig überlastet. Das hilft nicht weiter.“
Nach zwei Jahren „Versammlungspause“, bedingt durch die Corona-Verordnungen, nutzte der Dehoga das Treffen für eine Ehrung langjähriger Mitarbeiter. Ausgezeichnet wurden:
Für 40 Jahre Mitgliedschaft:
Anton Sandholz, Gasthof Rehwinkl, Ramsau
Culina Brancka, Gaststätte Neuwirt, Anger
Für 50 Jahre Mitgliedschaft:
Gertrude Gassner, Schlossberghof Marzoll, Bad Reichenhall
Jutta Lieselotte Grünberger, Hotel Grünberger, Berchtesgaden