Auf eine redaktionelle Nachfrage, warum ein Klinik-Neubau in Bad Reichenhall nötig sei, nimmt die KSOB (Kliniken Südostbayern AG) Stellung. Unternehmenssprecher Ralf Reuter schreibt:
Altersstruktur der Bauten
Die bauliche Altersstruktur der Kreisklinik Bad Reichenhall mit zentralen Komponenten aus den 1960er Jahren war Grundlage der Überlegungen zur Sanierung der Bestandsgebäude oder zum Neubau einer Klinik. Im Rahmen eines Logistik- und Kostenvergleichs (Anm: von der Klinik durchgeführt) wurde die Umsetzung eines Klinikneubaus seitens des Landkreises und Aufsichtsrates favorisiert.

Kostensicherheit und Bauzeit
Für einen Neubau spricht (nach Ansicht der KSOB-Kliniken) eine größere Kostensicherheit und eine wesentlich kürzere Bauzeit. Eine Sanierung der Kreisklinik müsste im laufenden Betrieb geschehen und wäre für Patienten und auch Mitarbeiter auf diesem begrenzten Platz in Bad Reichenhall eine ziemliche Herausforderung. (Warum nicht in Traunstein?) Eine Sanierung würde ca. 15 Jahre dauern, ein Neubau stünde in drei Jahren. Auch ist eine Sanierung teurer als ein kompletter Neubau, unter anderem deshalb, weil auf aufwändige und kostenintensive Interimsmaßnahmen verzichtet werden kann.
Interne Abläufe und neue Konzepte
Bei einem Neubau haben wir zur Neugestaltung sämtlicher Abläufe bessere räumliche Optionen – auch Erweiterungen betreffend. Die Verbesserung der internen Abläufe durch die vollständige Neukonzipierung der Reichenhaller Klinik ist nur durch einen Neubau möglich. Das heißt als Beispiel, zusammenarbeitende medizinische Bereiche sollen wesentlich näher räumlich angeordnet werden – also eine Klinik der kurzen Wege entstehen.
Mehr Servic und Flexibilität
Auch sehen wir im Neubau eine Verbesserung der Services für Patienten und Besucher unter anderem allein schon durch die Parkplatzsituation. In einen Neubau sehen wir auch weitere Gestaltungsspielräume für neue bzw. zusätzliche medizinische Disziplinen durch räumliche Flexibilität, die wir auf dem bestehenden Gelände nicht mehr haben. Ferner können wir nur bei einem Neubau den sog. „Green Hospital“-Gedanken, also Nachhaltigkeit, Energie- und Umweltgedanken entsprechend umsetzen.
Der Neubau war bereits 2018 beschlossene Sache
Für den Chef der Kliniken Südostbayern AG (KSOB), Dr. Uwe Gretscher, war bereits 2018 klar, dass man in Bad Reichenhall nicht um einen Neubau umhinkomme. Man will den Verbund aus sechs Kliniken zukunftssicher machen. Der Kreistag forderte darauf hin ein medizinisches Gesamtkonzept, denn allein für den Neubau veranschlagte man damals 125 Millionen Euro, in der jüngsten Kreistagssitzung, im Dezember 2021, waren es dann 175 Millionen Euro. Die Zukunft des Klinikverbundes KSOB geht im Wesentlichen von zwei Hauptstandorten aus, nämlich Traunstein und Bad Reichenhall. Die anderen Standorte, zu denen auch die Kliniken in Berchtesgaden und Freilassing zählen, werden wie berichtet in ihrem Leistungsangebot zum Jahr 2028 zurück gefahren.
Stv. Landrat Michael Koller
fordert öffentliche Debatte
Der stellvertretende Landrat und Kreisrat Michael Koller (FWG) aus Berchtesgaden mahnte beim jüngsten Kreistagsbeschluss für den Standort Bad Reichenhall an, einen gesellschaftlichen Konzens zu den Veränderungen zu finden und regte dabei eine breite gesellschaftliche Debatte an. Dabei habe er selbst ebenso dem neuen Standort und Klinikkonzept zugestimmt. „Wir können die Entwicklung nicht aufhalten, zumal die Vorgaben ja vom Gesetzgeber und den Kassen selbst gestellt werden“, führt er aus.
Notfallversorgung in Berchtesgaden
Wichtig aber sei etwa die Notfallversorgung in Berchtesgaden sicher zu stellen, wenn die Notfallaufnahme im Krankenhaus geschlossen werde. „Wir müssen uns unterhalten und diskutieren, wie es dann weitergehen soll. Wird es einen Ärzteverbund geben oder der Rettungsdienst verstärkt? Muss ein Kind bei einer Platzwunde zur Notaufnahme nach Bad Reichenhall gefahren werden? Welche Kapazitäten brauchen wir, wenn sommers wie winters tausende Touristen in den Bergen und der Natur unterwegs sind“, fragt er an.
Für Michael Koller ist es wichtig, die Notwendigkeiten der Entscheidungen aufzuzeigen. „Wenn etwa Dr. Uwe Gretscher dem Kreistag in einer einstündigen Präsentation die Hintergründe darlegt, erschließen sich die Entscheidungen noch lange nicht der Bevölkerung. Natürlich haben Menschen Angst, dass im Falle eines Notfalles die Versorgung leiden könnte“, so der stellvertretende Landrat.
Landkreis stemmt viele Großprojekte
Von der Kostenseite sind die Kreisräte aktuell ja mehr denn je gefordert. Anstehende Großprojekte wie der Neubau des Berufsbildungszentrums in Freilassing für 115 Millionen Euro, die Erweiterung des Rottmayer-Gymnasiums in Laufen für über 20 Millionen Euro und die Wiederherstellung der Bob- und Rodelbahn für 57 Millionen Euro sowie nun auch der Neubau der Klinik in Bad Reichenhall für 175 Millionen Euro. Überall ist der Landkreis Träger der Einrichtungen und daneben stehen noch viele kleinere Projekte, ebenfalls in Millionenhöhe. „Das ist nur die finanzielle Seite, so Michael Koller. Die Verwaltung ist auch bei der Projektierung, der Vergabe und Durchführung gefordert und braucht dafür Personal und hoch dotierte Fachkräfte. Dabei dürfen eben auch kleine Projekte, wie etwa die Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei in Berchtesgaden, nicht zurück stehen.
Bei den Kliniken gilt es darüber hinaus langfristig sicherzustellen, dass man über genug Fachärzte und Fachkräfte verfüge. Auch das habe eine entscheidende Rolle für den Neubau in Bad Reichenhall gespielt. Das Credo des Arzt und Krankenhausbetriebswirt Gretscher kommt darum nicht von ungefähr wenn er konstatiert: „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man überall alles vorhalten kann und noch dazu in hoher Qualität allen Anforderungen entsprechend.“
Zentrale Rolle des Rettungsdienstes
„Wir müssen uns zusammen setzen und ausloten, ob etwa niedergelassene Ärzte bei leichteren Fällen eine Notfallversorgung durchführen können und ob die Rettungsdienste das schaffen.“ Bei den Rettungsdiensten verweist Pressesprecher Markus Leitner vom Roten Kreuz darauf, dass man bereits jetzt schwere Fälle nach Bad Reichenhall oder Salzburg bringe, was angesichts der Belastungen durch die Coronapandemie nicht immer ganz einfach gewesen sei. In Berchtesgaden sei man aktuell an zwei Standorten zu finden, plane aber bereits einen Neubau, um die Platzverhältnisse zu verbessern. Auch der Notarztstandort ist in die Rettungswache integriert. Darüber hinaus „haben wir ein großes Polster an Ehrenamtlichen, gut ausgebildete Kräfte für die Spitzenabdeckung“, argumentiert Markus Leitner sowie „große Unterstützung durch die Bergwacht und Wasserwacht.“
Für Michael Koller bildete von Anfang an das „Medizinische Gesamtkonzept“ den Schlüssel für die Planungen. „Damit sind wir fähig, die sechs Standorte zu halten,“ bekräftigt er. Andernfalls, deutet etwa Dr. Uwe Gretscher an, hätte es mittelfristig das Aus für die Klinikstandorte Berchtesgaden und Freilassing bedeuten können.