Menschen mit Behinderung sind körperlich oder geistig eingeschränkt, häufig von Geburt auf, seit ihrer Jugend oder durch Krankheit oder Unfall. Zu Menschen mit Behinderung zählen aber auch Senioren, die etwa mit Demenz oder anderen Beeinträchtigungen leben lernen müssen, etwa dass sie auf eine Gehilfe angewiesen, oder ihre Sehkraft oder das Gehör beeinträchtigt sind. „Statistisch gesehen wird hier nicht unterschieden“, informiert Larissa Messmer, zuständig für Projektarbeit für Menschen mit Behinderung beim Landkreis. Sie und Barbara Müller, Leiterin des Arbeitsbereiches Senioren- und Behindertenarbeit im Landkreis, stellten jetzt im Kreisausschuss für Umweltfragen, Energie, Landkreisentwicklung und Mobilität die Senioren- und Behindertenarbeit im Landkreis vor.
Inklusion, also die Einbindung von Menschen mit Behinderung in alle Lebensbereiche, ist ein langer Prozess. Experten stellen die These auf: „Nicht Menschen sind behindert, sondern die Umstände behindern die Menschen,“ was etwa bei dem Bestreben nach Barrierefreiheit deutlich wird. Es gilt aber auch für den schulischen Bereich. Kinder mit Lernschwierigkeiten sollen in den normalen Unterricht integriert werden, so die Forderung. Hingegen sieht Larissa Messmer „sehr große Defizite bei der Inklusion in der Schule.“ Auch Kreisrat Georg Wetzelsperger, der zugleich Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Soziale Dienste“ (ASG) ist, bestätigt diese Einschätzung und bekennt auf Nachfrage:
„Ich würde mir kleine Klassen mit 16 Schülern, einer Lehrkraft und einen Pädagogen wünschen. Dann hätten wir eine Basis für inklusiven Unterricht. Aktuell aber wird mit Schulbegleitern gearbeitet und auch in der Förderschulen sind gute Voraussetzungen gelegt. Das ist vielleicht die zweitbeste Lösung, doch im Moment setzt das Schulsystem in Bayern und darüber hinaus Grenzen. Wir haben sogar im jetzigen System an den Regelschulen Probleme genügend Lehrkräfte zu finden“, konstatiert er. Barbara Müller ergänzt: „Wir bieten aktuell mit Förder- und Regelschulen beide Systeme an. Das ist für die Kinder und Jugendlichen zum Vorteil, denn sie können wählen und manche von ihnen benötigen intensive Unterstützung. In jeder Schule gibt es zudem eigene Inklusionsbeauftragte.“

Die ASG ist ein Zusammenschluss von Anbietern und Leistungserbringern im Sozialbereich der Senioren- und Behindertenarbeit mit fachlicher Unterstützung aus der Verwaltung. Hier sollen Ideen, Konzepte und Maßnahmen erarbeitet, gebündelt und weitergetragen werden, auch gegenüber dem Landkreis und des Kreisrates.
Ein weiteres großes Thema der Senioren- und Behindertenarbeit ist die Weiterentwicklung des Sozialraumes. Sowohl die Teilhabe am öffentlichen Leben, etwa durch einen behindertengerechten öffentlichen Nahverkehr, als auch die Grundversorgung müssen sichergestellt sein. Das Leben und Auskommen in den „eigenen vier Wänden“ stellt bei körperliche Beeinträchtigung wieder andere Herausforderungen. Häufig sind notwendige Umbauten dafür kostspielig. Hier beratet und informiert das Landratsamt über bauliche Voraussetzungen und Fördermöglichkeiten. „Ebenso arbeiten wir eng mit Handwerksfirmen, Planern und Architekten zusammen, werden in Vorplanung bereits für barrierefreies Bauen eingebunden“, informiert Larissa Messmer. Zudem gibt es im Landratsamt eine eigene Fachstelle für barrierefreies Bauen und Wohnen.

„Es geht aber ebenso um Pflege, Wohnraum und neue Wohnformen, etwa im ambulant betreuten Wohnen“, ergänzt Wetzelsperger. Sozialraumplanung schließt ebenso die Arbeitswelt mit ein. Und dabei habe man gegenüber Menschen mit Behinderung noch „eine offene Baustelle“, so Wetzelperger. Es gibt auf der Grundlage des neuen Bundesteilhabegesetzes neue Möglichkeiten der Förderung. „Durch die Einschränkung der Corona-Pandemie konnten wir in diesem Bereich aber noch nicht tätig werden“, bekennt der Vorsitzende der ASG.
Nachholbedarf scheint es auch in der Kommunikation der Möglichkeiten und Angebote in der Senioren- und Behindertenarbeit zu geben. Und die wiederum soll über die Gremien, Gemeinden und zuständigen Stellen hinweg verbessert und ausgebaut werden. Stimmen aus dem Kreistag:
Kreisrat und Bürgermeister
Thomas Gasser (CSU) aus Teisendorf:
„Ich weiß etwa nichts über eine Internetpräsenz über barrierefreie Angebote im Landkreis, habe dazu bei meiner Such auch nichts gefunden.“ Er bemängelte auch eine fehlende Barrierefreiheit am Bahnhof der Gemeinde, an der Stammstrecke zwischen Salzburg und München.
Kreisrat Franz Eder, (B 90 /Die Grünen):
„Wie kommt die Stadt zu einer Ortsbegehung um Barrierefreiheit zu testen?“ Larissa Messmer informierte über Ortsbegehungen vor Ort, etwa in Freilassing, wo die aktuelle Situation sehr unbefriedigend sei. Sie begleite in Teisendorf und Laufen sehr gerne mit einer Person mit Behinderung, um die Situation vor Ort darzustellen und zu testen. Speziell mit der Bahn sei die Kommunikation aber nicht einfach und viele Bahnhöfe im Landkreis habe man ja bereits behinderten-freundlich ausgebaut, merkte sie an.
Kreisrat Daniel Längst (FW):
Er regte ein eigenes Siegel des Landkreises für betreutes Wohnen an. „Es gibt dabei keinen fest verankerten Rechtsbegriff. Sind ein Semmelservice, ein Hausnotruf oder eine Reinigungsleistung bereits ausreichend, um als betreutes Wohnen bezeichnet zu werden“, fragt er nach. „Wir sollten hier Qualitätsstandards setzen“, fordert er.
Kreisrat Manfred Hofmeister (BLR):
Er freute sich über die Einrichtung einer behindertengerechten Musterwohnung bei der AWO in Freilassing, wünscht sich aber mehr Informationen über einen Ausbau im Bestand, um das Leben und Wohnen auch im Alter in eigener und gewohnter Umgebung zu ermöglichen.
Kreisrat Roman Niedergerber (SPD)
regt eine regelmäßige Evaluierung der Arbeit in diesen Bereich an. „Wir müssen frühzeitig erkennen, wo wir weiterkommen und wo sich Defizite auftun, um bei Bedarf neue Prioritäten setzen zu können“, begründet er. „Die Entwicklung unserer Arbeit muss dargestellt, mit Kennzahlen für die verschiedenen Bereiche hinterlegt werden.“
Andreas Nutz (CSU)
will angesichts von „nicht tragbaren Zuständen der Verhältnisse für ältere und behinderte Menschen in Freilassing am Bahnhof“ wenigstens eine Servicekraft als Hilfe bis 18 Uhr sichergestellt wissen und möglichst darüber hinaus.