Die Riesen-Chance für Bad Reichenhall

K O M M E N T A R
Endlich, nach über einem Viertel-Jahrhundert, soll in Bad Reichenhall wieder ein großes Top-Hotel entstehen. 25 Jahre musste die Kurstadt, die sich mittlerweile gerne als liebenswerte Alpenstadt vermarkten möchte, einen gegenläufigen Trend hinnehmen. 2008 verkaufte der Steigenberger Hotelkonzern das Axelmannstein, und von da an ging es mit dem ehemaligen Tophotel nur noch bergab. Heute beherbergt es großteils Flüchtlinge aus der Ukraine.

Große Namen: Axelmannstein und Luisenbad

Das zweite Top-Hotel, das international zwar nie an das Axelmannstein heran reichte, war das Hotel Luisenbad. Auch hier war der Trend rückläufig und vor wenigen Jahren wurde es ganz abgerissen. Damit war die einst so blühende Kurstadt abgeschnitten von großen Namen der Hotellerie. Parallel dazu halbierten sich, durch die von dem damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verfügte ‚Gesundheitsreform‘, die Zahlen der Gäste und Übernachtungen.

Nördlich des geplanten Marriott-Hotels ist die BG-Klinik. Auch bei diesem Baukörper verfügt jedes Zimmer über einen Balkon. Fotos: Gerd Spranger

Marriott International investiert:
Riesen-Chance für Bad Reichenhall

Nun also die gute Nachricht: Die Hotelgruppe Marriott International konnte als Betreiber des geplanten Hotels, für die an den historischen Hofwirt angliedernde Baukörper, gewonnen werden. 191 Betten und 146 Zimmer, alle mit Balkon, sind für den angestrebten Standard, Vier-Sterne-superior, geplant. Zunächst aber muss der Stadtrat von Bad Reichenhall über die angestrebte Größe befinden, denn 27 Zimmer mehr als vorgesehen, sollen realisiert werden.

Auf der Wiese – einst der Obstgarten des alten Klosters – sollen die Neubauten errichtet werden.

Stadtrat sorgt sich um den Verkehr

Wie der Berichterstattung aus der Tageszeitung (Reichenhaller Tagblatt) zu entnehmen, geht es dabei durchaus kurios zu. Nach dem Motto „wasch mich, mach mich aber nicht nass“ befinden die Räte über das für Bad Reichenhall so wichtige Vorhaben. Das Gremium des „politischen Rats of Color“ sorgt sich um den Verkehr, denn die Zufahrt liegt gegenüber des Karlsgymnasium. Fast schon kurios liest sich dazu die Antwort in der Hotelbeschreibung. „Die Gäste reisen meist mit dem Flugzeug und der Bahn an,“ heißt es dort, auch „die Geschäftsreisenden“.

In nördlicher Richtung grenzt das geplante Marriott 4-Sterne-Hotel superior an die BG-Klinik.

Nur mit Bahn und Flugzeug

Blick über den verwaisten Parkplatz auf das Karlsgymnasium

Nimmt die neue Betreibergesellschaft damit die Zukunft bereits vorweg. „Vom Bahnhof aus fahren dann Lastenfahrräder, natürlich mit Elektro-Unterstützung, und auf Wunsch stehe dieser Service auch den Anreisenden vom Airport Salzburg zur Verfügung“, mögen die Überlegungen der Konzernleitung sein. Ebenso ist die An- und Abreise wohl geregelt und die Gäste dürften sich daran auch strickt halten, geben sich die Betreiber zuversichtlich. Natürlich wird es zu keiner Beeinträchtigung des Schulverkehrs und schon gar nicht zu einer Gefährdung der Kinder kommen. Und dem darf und muss man auch Glauben schenken. Allein die Begründung liest sich kurios.

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Der „Rat of political Colors“

Doch damit nicht genug. Um den „Rat of political Colors“ im Rathaus zu beruhigen, verweisen die künftigen Betreiber des Vier-Sterne-Hotels superior auf einen Lieferverkehr, der täglich von 6.00 bis etwa 7.30 Uhr erfolgen soll, und damit vor dem großen Andrang der Schulkinder. Und natürlich wird es kaum Busse geben, die das Hotel mit 191 Betten anfahren werden. „In der Woche höchstens einer“, heißt es, und man möchte am liebsten anfügen, „und der fährt nur während der Ferienzeiten.“

146 Zimmer und 113 Parkplätze

Der „Rat of political Colors“ versäumte auch nicht, sich über die Parksituation zu erkundigen. Mit einer großen Tiefgarage mit 68 Plätzen plus 45 Parkplätzen vor dem historischen Hofwirt, plus zehn Personalparkplätze aber werde es keine Probleme geben, wird versichert. Etwas verwundert dabei nur die Tatsache, dass für ein Hotel, in dem die Gäste vornehmlich mit Flugzeug oder Bahn anreisen, es bei 146 Zimmern doch noch 113 Parkplätze plus Stellplätze für das Personal braucht.

Der historische Hofwirt ist seit vielen Jahren verwaist. Wird er zu einer Riesen-Chance für Bad Reichenhall?

„Wasch mich bitte und mach mich nicht nass“

Jedenfalls heißt es aus der Stadtverwaltung – und damit können wir alle beruhigt sein: „Mit dem Vorhaben werde das vorhandene Angebot an Beherbergungseinrichtungen um die Hotelkategorie eines Vier-Sterne-Hotels superior sinnvoll erweitert. Zwei Stadtratsitzungen und zusätzlich noch eine Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange braucht es aber noch, bis die Stadt für die geplante Aufstockung der Kapazität um 27 Zimmer ‚grünes Licht‘ geben kann, oder eben auch nicht. „Wasch mich bitte, mach mich aber nicht nass.“

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Chance auf ein neues touristisches Standing

Bad Reichenhall erhält eine Riesen-Chance für ein besseres touristisches Standing, und die einzige, den Stadtrat zu bewegende Sorge, scheint das Thema Verkehr zu sein. Sehr geschätzte Stadträt*innen, wenn ihr das Thema Verkehr, im noch existierenden Staatsbad gegen Erkrankungen der Atemwege, nicht in den Griff bekommt, und unwillig seid, geeignete Maßnahmen dafür zu ergreifen, dann lastet das nicht einem international tätigen Hotelkonzern an.

Gruß an den Stadtrat

Ihr habt es geschafft, die einmalige Chance einer leistungsfähigen Ortsumfahrung nicht zu nutzen. Ihr ignoriert dabei bis heute einen starken LKW- und Transitverkehr sowie täglich tausende Pendler vom Salzburger Land nach Salzburg. Ihr schafft es noch nicht einmal für einen ausreichenden Lärmschutz Sorge zu tragen – trotz gegenteiliger Versprechen. Und jetzt wollt ihr ungelöste Verkehrsprobleme im Schulzentrum von Bad Reichenhall einer internationalen Hotelgruppe anlasten. Ist das wirklich euer Ernst?!

Auch in früheren Jahren, zu den guten Zeiten des Hofwirts, des Salzburger Hofes, des Bayerischen Hofes, des Hotel Axelmannstein, Schwabenbräu, Hotel Panorama plus eines ausgebuchten Kurhotels Alpina plus Kuranstalten – also mit einem echten touristischen Verkehrsaufkommen in der Mozartstraße – kam kein Kind zu schaden und niemand wäre auf die Idee gekommen, es einem Hotel anzulasten. Einen sicheren Radweg vom Bahnhof zur Schule indessen sucht man in Bad Reichenhall vergebens. In der Traunfeldstraße ist nur Schrittgeschwindigkeit erlaub, an den Schulen Tempo 30.

Das schreibt Marriott International über sich selbst

„Mit dem leistungsstärksten Portfolio der Branche bieten unsere 30 Marken und über 8.000 Hotels und Resorts in 139 Ländern und Gebieten Menschen mehr Möglichkeiten, ihren Horizont durch einzigartige Erlebnisse zu erweitern und eine Verbindung zur Welt zu erschaffen.“ Es bleibt der Gruppe zu wünschen, dass sie dies – mit der Nähe zu Salzburg, zum Nationalpark Berchtesgaden und Chiemgau – auch in Bad Reichenhall schaffen wird. Die Stadt hat es bislang vergeblich versucht.

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