Unser 1. Beitrag: Almen in Bad Reichenhall
Wieder Ziegen
auf der Zwieselalm
Bad Reichenhall hat keine große Almlandschaften wie der Chiemgau, Berchtesgaden oder das Salzburger Land. Aber ganz ohne Almen ist die liebenswerte Alpenstadt nicht. Wir haben uns auf Spurensuche begeben und stellen zuerst die Zwieselalm vor, die ab dem 18. Mai wieder geöffnet ist. Eigentlich hatten wir bereits zu Ostern (19. bis 22. April) auf einen milden Frühling gehofft, der Mai aber hat Kälte, Regen und Schnee mit sich gebracht.

Das hatten die Land- und Hüttenwirte Gabi und Andreas Potschacher bei meinem Besuch Anfang April schon im Gefühl. Sie kennen das launische Wetter und ihre Alm. Sie ist wohl die bekannteste in Bad Reichenhall, und vom Tal aus weithin sichtbar, die Zwieselalm mit Kaiser-Wilhelms-Haus.
Keine Betten
im Kaiser-Wilhelms-Haus
„Das ist nicht bewirtschaftet, es gibt keine Übernachtungsmöglichkeiten, entgegen anders lautender Berichte,“ stellen die Wirtsleute gleich klar. Erste Ideen zu einer Revitalisierung scheiterten gleich im Ansatz, „denn sowohl vom Denkmalschutz wie auch vom Brandschutz aus ist das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ganz und gar illusorisch“, weiß die Familie Potschacher aus gemachter Erfahrung.

Ganz anders sieht es mit der Zwieselalm aus, sie floriert seit Jahrzehnten, seit drei Jahren sind hier wieder 20 Ziegen auf der Weide. Waliser Schwarzhalsziegen mit großem Gehörn und vornehmlich schwarz-weißen dichtem Fell. Bevor auf der Zwieselalm aber aufgesperrt wird, sind noch einige durch den Winter verursachte Schäden zu beseitigen. Bereits beim Aufstieg zählt man dutzende von der Schneelast umgeworfene und abgebrochene Bäume. Das Dach der Alm war beschädigt, der Boden aufgeworfen und den Stall hat es verschoben. Vor dem Aufsperren wartete auf die Hüttenwirte also viel Arbeit und Investitionen.
Ein 100 Jahre alter Ofen
auf der Alm
Dann aber ist die Alm mit ihrem über 100 Jahre alten Ofen in der Küche, ihrem herrlichen Ausblick bis weit in die Berchtesgadener Alpen und guten Brotzeiten vom Kaiserschmarrn über Käseplatten bis hin zum Speckbrot bereit für die Saison, wie sie seit 1900 von der Familie gewahrt wird. „Zuerst hat sie Willi Maitz bewirtschaftete, ein Onkel meines Vaters Grazi, der sie 1965 übernommen hat und mit seiner Frau Brigitte ganze 50 Jahre, bis 2015 bewirtschaftete“, erzählt Andreas Potschacher. Heute hilft mit den beiden Töchtern Christina und Barbara bereits die dritte Generation auf der Alm mit.

Versorgt wird die Zwieselalm bis heute über Hubschrauber und Mulis der Tragtierkompanie der Bundeswehr, denn einen Versorgungsweg zur Alm hin gibt es nicht, die Bayerischen Staatsforsten haben jede Initiative dazu bislang blockiert. Es bleibt der Weg über den Mulisteig. „Das Engagement der Bundeswehr wird übrigens nicht aus dem Wehretat bestritten, wir zahlen für diese Dienstleistung ganz regulär und die Preise sind durchaus mit den Hubschrauberflügen vergleichbar,“ klärt Gabi Potschacher mich auf. Kostenlos hilft ein Freundeskreis frische Ware wie Milch und Gemüse vom Einstieg des Mulisteigs hinauf auf die Alm zu bringen. Dafür gibt es dann eine Brotzeit und ein Bier dazu, was nach der Mühe besonders gut schmeckt.

Auf dem Berg pflegt man ein kameradschaftliches Miteinander, ob Frauen oder Männer. Auch wenn der Weg auf die Alm nicht sehr lang ist, führt der kürzeste Weg vom Parkplatz Jochberg aus (Gemeinde Schneizlreuth) von 840 auf 1400 Höhenmeter hinauf. Ungeübte Geher sollten 90 Minuten Wegzeit einrechnen und unbedingt feste Bergschuhe tragen. Die Strecke ist zwar mit einer ausgedehnten Wanderung vergleichbar, doch es geht stetig bergauf und ein Bergpfad ist kein ausgebauter Wanderweg. Eine Stunde länger dauert es vom Parkplatz beim Listwirt in Bad Reichenhall. Geübte Bergsteiger setzen ihre Tour dann noch auf den Gipfel des Zwiesels oder Hochstaufens fort, tauchen tiefer in die Bergwelt ein.
Das ganze Bergerlebnis
auf der Zwieselalm
Das ganze Bergerlebnis aber hat man schon auf der Zwieselalm und das Wetter und die Landschaft laden zum längeren Verweilen ein. Den Blick über das weite Reichenhaller Tal schweifen lassen, hinüber zum Untersberg und Predigtstuhl bis hinein in die Berchtesgadener Alpen und hinüber zu den Loferer Steinbergen. Selbst wenn es im Gastgarten mal voll ist, findet man im Gelände etwas abseits immer noch ein ruhiges Plätzchen für sich.
