18 Jahre Landrat Georg Grabner
Was hat ihn bewegt?
Noch bis ersten Mai ist Landrat Georg Grabner im Amt, dann übergibt er nach 18 Dienstjahren offiziell an seinen Nachfolger Bernhard Kern. Die Redaktion hat nachgefragt. Was bewegt ihn aktuell und was ist ihm in seiner Amtszeit besonders wichtig geworden.
Ganz am Ende des Interviews wird Georg Grabner persönlich, gibt viel von dem Menschen hinter dem Landrat preis. Nichts habe ihn persönlich so sehr getroffen wie das Eishallenunglück am 2. Januar 2006.

„In einer solchen Situation steht man im Spannungsfeld tiefster Betroffenheit über das Unglück, das Leid der Angehörigen und der Notwendigkeit, einen klaren Kopf für wichtige Entscheidungen bei der Bewältigung des Katastrophenfalls zu bewahren. So musste ich damals etwa mitten in den Bergungsarbeiten für mehrere Stunden einen Stopp verordnen, weil die Sicherheit für die Rettungskräfte nicht mehr gegeben war. Es drohte ein weiterer Einsturz.“
Grabner musste das Leben noch etwaiger Verschütteter mit dem der Einsatzkräfte abwägen. Die Sachverständigen konnten nicht ausschließen, dass sich noch Verschüttete unter den Trümmern befinden, und durften darüber hinaus das Leben der Einsatzkräfte nicht gefährden. „Die ganze, über Tage angespannte Situation, erlebten ich und der Führungsstab des Katastrophenmanagements wie in einem Film, fast surreal, wir standen unter Dauerstress und höchster Anspannung.“
Engagieren für die Hospizbewegung
Eine Erfahrung, die nachwirkte bei Georg Grabner, nicht nur in der Bewältigung der aktuellen Krise. Er will sich nach seiner aktiven Zeit als Landrat in der Hospizbewegung engagieren. „Bereits 2005, als in München die ersten Palliativstationen ihre Arbeit aufnahmen, ist es mit enormer Unterstützung von Dr. med. Birgit Krause-Michel gelungen, so eine Palliativstation im Reichenhaller Krankenhaus einzurichten. Dort, wo die ärztliche Kunst ihre Grenzen findet, lebenserhaltende und operative Maßnahmen nicht weiterhelfen, ist die Würde des Menschen bis hin zum Tod ein heiliges Gut. Es ist unser letzter Lebensabschnitt. Ich denke mit Grauen daran, wie in früheren Jahren sterbende Menschen irgendwohin, einsam in eine Kammer geschoben wurden, weil man den Tod niemandem zumuten wollte.“
Inspiriert habe ihn dabei besonders das Engagement von Alois Glück. Der Ex-Landtagspräsident baute im Landkreis Traunstein und später auch im Landkreis Berchtesgadener Land das Netzwerk Hospiz auf, und nur zwei Jahre nach der Eröffnung der ersten stationären Palliativstationen in Deutschland, besuchten ausgebildete „Brückenschwestern“ ambulant die Schwerkranken nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zuhause. Vorläufiger Höhepunkt in der Region wird die Eröffnung der Klinik Chiemsee-Hospiz sein. Eine Klinik der drei Landkreise Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land sowie die Stadt Rosenheim in Bernau am Chiemsee.
Leben und Tod stehen eng zusammen
Wie eng Leben und Tod zusammen stehen, zeigt die aktuelle Krise deutlich. Sie ist noch nicht vorbei und auch das Berchtesgadener Land steht mitten drin. Dabei ist Landrat Georg Grabner Chef des Krisenstabes, bis er am ersten Mai an seinen Nachfolger Bernhard Kern übergibt, der schon jetzt im vollen Umfang im Team eingebunden ist. Grabner trifft sich täglich mit Vertretern der Katastrophenschutzbehörde und Experten des Gesundheitswesens. Die örtlichen Einsatzleiter stehen im engen Austausch miteinander (wir berichteten). „Durch die Erfahrungen der letzten Katastrophen, vor allem durch den massiven Schneeeinbruch im Januar 2019, sind wir ein eingespieltes Team. Das hilft in der Krise, in der man gute Nerven braucht und einen kühlen Kopf bewahren muss.“
Durch die Krise helfen ebenso gut funktionierende
Kreiskrankenhäuser, die es, so ist sich Landrat Georg Grabner sicher, „heute aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen nicht mehr in kommunaler Trägerschaft gäbe, wenn man nicht bereits vor vielen Jahren mit enormen Anstrengungen die Strukturen angepasst und im Jahr 2009 die Kreiskliniken Bad Reichenhall, Berchtesgaden und Freilassing mit den Kreiskliniken in Traunstein und Trostberg zur „Kliniken Südostbayern AG“ fusioniert hätte. Über 42,5 Millionen Euro Eigenmittel investierte der Landkreis von 2002 bis einschließlich 2019 in seine Kreiskliniken. „Natürlich sind wir heute mehr denn je froh, über eine funktionierende kommunal geprägte Struktur“.
Ein weiterer Baustein, der sich jetzt in der Krise bewährt, ist die seit 2015 bestehende Stabsstelle Gesundheitsregion-Plus im Landratsamt. Die Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen wird über diesen Weg seit Jahren gefördert und verstärkt. Die Sicherstellung der wohnortnahen, medizinischen Versorgung sowie die Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention stehen dabei im Mittelpunkt.
45 Millionen Euro für die Bildung

Ein besonderes Herzensanliegen ist Landrat Grabner seit Beginn seiner Amtszeit die Förderung der Bildung im Landkreis. Im Bereich der Bildung lag der absolute Schwerpunkt der Investitionen, und hier vor allem für die Schulen, nämlich 45 Millionen Euro. „Da gab es zwar staatliche Zuschüsse, dennoch waren dies in Summe die größten und wichtigsten Investitionen. Das zeigt der Erfolg, der uns ganz offiziell zur Bildungsregion geführt hat.“ Georg Grabner nennt dabei das Schülerforschungszentrum zusammen mit der Technischen Universität München für die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ) als Leuchtturmprojekt weit über die Landkreisgrenzen hinaus, aber auch die Investitionen in die Gymnasien, die Realschule sowie die Berufsschule. Besonders zu erwähnen sei die Berufsschule Plus. Sie ermöglicht einen Berufsabschluss mit dem gleichzeitigen Erwerb des Fachabiturs „Wir haben uns da ein wenig was von Österreich abgeschaut, wo seit Jahrzehnten erfolgreich die berufliche Ausbildung mit der Matura verbunden ist. Das System hat sich auch bei uns bewährt, so dass wir damit zur Modellregion für ganz Bayern geworden sind.“
Vieles rückt in der Coronakrise in den Hintergrund, scheint an Bedeutung zu verlieren. Umso wichtiger ist es darum in der Krise selbst, und auch in der Zeit danach, auf gute Strukturen aufbauen zu können. So freut sich Landrat Georg Grabner etwa einen schuldenfreien Landkreis an seinen Nachfolger übergeben zu können und erinnert: „Zwischendurch hatten wir einen Schuldensaldo von 43 Millionen Euro und noch große Projekte vor uns.“ Zugleich verweist er auf die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes, die Einstellung eines Klimaschutzmanagers, die Erstellung eines Energienutzungsplanes für den gesamten Landkreis sowie die Gründung einer Energieagentur zusammen mit dem Landkreis Traunstein.
„Noch zur Jahreswende hat es ein einziges beherrschendes Thema gegeben, und das war der Klimawandel. Auch hier haben wir unsere Hausaufgaben gut, ja sehr gut gemacht“, ist Grabner überzeugt. „Der Energienutzungsplan Berchtesgadener Land setzt in der kommunalen Energieplanung bis heute bayernweite Standards, ist Musterbeispiel einer digitalen und innovativen kommunalen Energieplanung.“
Wirtschaftsservice ist stark gefragt
Viel Arbeit bekommt aktuell die Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice GmbH. Die Telefone stehen kaum still. Es herrscht Angst und große Verunsicherung bei den Unternehmen. Wie soll es weiter gehen? Sechs Wochen behördlich verordneter Stillstand sind eine lange Zeit. In der Hotellerie und Gastronomie ist kein Ende abzusehen. „Noch vor meiner Zeit als Landrat hatte ich im Kreistag einen Antrag auf die Gründung einer Wirtschaftsagentur gestellt, die wir dann 2002 mit einem Geschäftsführer und einer Halbtagskraft eröffnen konnten. Heute haben wir neben dem Geschäftsführer noch zehn Fachkräfte mit im Team“, freut sich Georg Grabner über den Erfolg der Einrichtung.
Eines der großen Projekte der letzten Jahre, nämlich die Fortschreibung des Nahverkehrsplanes für den Landkreis, für den 2018 ein eigenes Mobilitäts-Gutachten erstellt wurde, wird der neue Landrat Bernhard Kern zum vorläufigen Abschluss bringen. „Die Weichen dafür sind gestellt, die Verwaltung mit dem Verkehrsmanager,
dessen Stelle 2007 neu geschaffen wurde, sowie der Kreistag haben dafür schon vieles auf den Weg gebracht. Es geht jetzt um die konkrete Umsetzung, von der Verbesserung des ÖPNV bis hin zum Alltagsradwegenetz und der Steigerung der Elektromobilität. Das wird weiterhin eines der großen künftigen Themen bleiben.“
Der Geschichte auf der Spur
Alt-Landrat Georg Grabner wird sich dann bei der Senioren-Uni 55plus an der Universität Salzburg eingeschrieben haben, wenn die Grenzen in den nächsten Monaten wieder öffnen. Ein Studium der Geschichte liegt ihm am Herzen. „Unsere Region, das Berchtesgadener und Salzburger Land, sind seit dem frühen Mittelalter immer wieder in den Focus europäischer Machtpolitik gerückt, im Ringen zwischen kirchlicher und weltlicher Macht. Vor allem der Reichtum des Salzes waren dabei ein begehrtes Gut. Wir finden dazu noch heute viele Zeugnisse in unserer Region. Ich freue mich darauf, mehr zu den Hintergründen zu erfahren.“
So geht Landrat Georg Grabner nach eigenen Worten ohne „hochtrabende Pläne“ in den Ruhestand. „Die Coronakrise findet hier vielleicht die einzig positive Auswirkung. Wir sind in unserem Alltag alle zum ‚Inne-Halten‘ gezwungen worden. Entschleunigung war auch zuvor schon ein geläufiger Begriff. Wir haben dies jetzt aber zwangsweise und eindrücklich erlebt und neu erfahren müssen. Vielleicht bringt das auch eine positive Wende mit sich, hin zu mehr Regionalität und hin zu unseren Mitmenschen.“
Interview: Gerd Spranger